Um die globale Erderwärmung auf maximal 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, müssen Staaten auf der ganzen Welt kosteneffiziente Maßnahmen ergreifen. Ökonomische und fiskalpolitische Instrumente können dabei eine wichtige Rolle spielen.
Bei der Klimakonferenz in Paris (COP21) im Dezember 2015 haben sich 195 Staaten auf ein neues, globales Abkommen geeinigt, das alle Länder völkerrechtlich zum Schutz des Klimas verpflichtet. Mit dem Abkommen von Paris setzen sich die Staaten das globale Ziel, die Begrenzung der Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf „deutlich unter“ 2 Grad Celsius zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen alle Länder kosteneffiziente Maßnahmen ergreifen. In diesem Kontext spielen ökomische Instrumente und insbesondere Kohlenstoffsteuern, oder CO2-Steuern, seit mehreren Jahren eine wichtige Rolle.
CO2-Steuern sollen über höhere Preise für Güter und Dienstleistungen, die mit hohen CO2-Emissionen verbunden sind, Marktanreize zur Emissionsminderung schaffen. Immer mehr Staaten entscheiden sich für eine solche direkte Internalisierung von Umweltexternalitäten durch einen an der CO2-Intensität orientierten Aufschlag auf Energieträger (engl. „carbon pricing“). Gab es 2012 weltweit nur 20 Initiativen, hat sich diese Zahl bis 2015 auf 38 fast verdoppelt. Diese umfassen nun ca. zwölf Prozent der globalen Emissionen. Bei der Klimakonferenz in Paris (COP21) bekam die “Carbon Pricing Leadership Coalition” offizielle Unterstützung von wichtigen Staats- und Regierungschefs. Deutschland und Mexiko waren von Anfang an Mitglieder.
Mexiko erhebt seit 2014 eine Steuer auf im Land produzierte und importierte fossile Brennstoffe. Besteuert werden die Kohlenstoffemissionen, die der Brennstoff im Vergleich zu Erdgas zusätzlich verursacht. Demzufolge wird Erdgas nicht besteuert. Pro Tonne CO2 liegt die Steuer zwischen einem und vier USD, je nach Brennstoff. Die Steuer umfasst ca. 40 % der mexikanischen CO2-Emissionen.
Mit dem Ziel von den Erfahrungen anderer Ländern zu lernen, organisierte die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) gemeinsam mit dem mexikanischen Finanzministerium (SHCP) und Umweltministerium (SEMARNAT) einen Expertendialog zum Thema „Fiskalpolitische Instrumente für den Klimaschutz“.
Vom 10. bis 12. Februar 2016 wurden klimarelevante Steuern und andere fiskalpolitische Instrumente sowie deren Designelemente und Politikinteraktionen von renommierten Experten und Entscheidungsträgern aus Europa, den USA, Lateinamerika und Südafrika vorgestellt. Neben anerkannten mexikanischen Experten und Entscheidungsträgern, nahmen u.a. folgende internationale Experten als Redner an dem Dialog teil: Kurt van Dender (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD), Luis Miguel Galindo (UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik, CEPAL), Sharlin Hemraj (Finanzministerium, Südafrika), Alexandre Kossoy (Weltbank), Jennifer Martin (Centre for Resource Solutions), Kai Schlegelmilch (Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, FÖS), Mikael Skou Andersen (Aarhus Universität) und Ian Parry (Internationaler Währungsfond, IMF).
In den drei Workshoptagen wurden u.a. folgende Themen anhand von konkreten Beispielen besprochen:
Emissionsminderung
CO2-Steuern unterscheiden sich in grundlegenden Aspekten, wie zum Beispiel in den Designelementen, der Verwendung des Steueraufkommens und den Rahmenbedingungen. Trotz dieser Unterschiede haben alle bisher eingeführten CO2-Steuern maßgeblich zum Klimaschutz beigetragen. In Europa konnte der Treibhausgas(THG)-Ausstoß aufgrund der CO2-Steuern zwischen zwei und sechs Prozent innerhalb von zehn Jahren gemindert werden. Schweden hat den höchsten impliziten Steuersatz Europas. Hier wurden die THG-Emissionen um fast sieben Prozent reduziert.
Höhere Steuereinnahmen
CO2-Steuern werden aus zwei Gründen erhoben: zur Emissionsminderung und zur Haushaltskonsolidierung. Während für Finanzministerien letzterer oft der entscheidende Faktor zur Einführung einer Umweltsteuer ist, betonen Umweltaktivisten die gewünschte Minderungswirkung solcher Steuern. In Europa machen Umweltsteuern ca. sechs Prozent der Steuereinnahmen aus.
Andere Wirkungen
CO2-Steuern und andere ökonomische Instrumente können auch zum „grünen“ Wachstum beitragen. So wurden in Deutschland zum Beispiel bis 2010 250.000 neue Arbeitsplätze nach der Einführung der Öko-Steuer geschaffen.
Inwiefern Umweltsteuern das Wirtschaftswachstum beeinflussen, hängt hauptsächlich vom Design der Umweltsteuern, der Restrukturierung des Steuersystems (s. „Tax-Shifting“ unten) und der Verwendung des Steueraufkommens ab. Bestehende Beispiele zeigen, dass das Wirtschaftswachstum innerhalb von zehn Jahren um 0,5% steigt, solange die Steuereinnahmen der Umweltsteuern wiederverwendet werden (engl. revenue recycling).
Vertreter des Privatsektors äußern immer wieder die Befürchtung, dass sie auf Grund von Umweltsteuern weniger wettbewerbsfähig werden, und drohen mit einer Abwanderung in das (nicht steuerbelastete) Ausland, ein Konzept das „Carbon Leakage“ genannt wird. Anhand bestehender Erfahrungen und Analysen können diese Kausalitäten jedoch nicht belastbar belegt werden.
Steuersatz
CO2-Steuern unterscheiden sich hinsichtlich der Designelemente und haben daher auch verschiedene Steuersätze. In Portugal wurde die CO2-Steuer 2014 mit einem Steuersatz von 4 Euro pro CO2 Tonne (EUR/tCO2) eingeführt. Die Regierung von British Colombia hat den ursprünglichen Steuersatz von 10 USD/tCO2 mittlerweile auf 30 USD/tCO2 erhöht. Schweden hat von allen OECD-Staaten den mit Abstand höchsten impliziten Steuersatz von über 100 USD/CO2. Laut Berechnungen des IMF müsste der globale CO2-Steuersatz bis 2030 bei 60 USD/CO2 liegen, sollte sich die Weltgemeinschaft dafür entscheiden, die Erderwärmung nur mit Hilfe von CO2-Steuern auf 2,5 Grad Celsius zu beschränken. In Mexiko müsste der Steuersatz auf 75 USD/CO2 erhöht werden, damit das Land seine Minderungs- und Anpassungsziele mit der CO2-Steuer erreicht.
Verwendung der Steuereinnahmen und “Tax-Shifting”
Die Attraktivität und gesellschaftliche Akzeptanz ökonomischer Instrumente hängen von den von der Bevölkerung wahrgenommenen Wirkungen der Steuer, und somit von der Verwendung der Steuereinnahmen, ab. In diesem Kontext wurden während des Workshops folgende Konzepte besprochen:
„Tax-Shifting“: Dieser Begriff bezieht sich auf die Verlagerung der Abgabenbelastung einer Steuer durch die Einnahmen einer neuen Steuer. In vielen Fällen werden die Einnahmen indirekt dafür verwendet, die Einkommenssteuern und Sozialversicherungsbeiträge zu senken.
Maßnahmenpakete: Laut OECD-Studien ist es kosteneffizienter, THG-Emissionen durch einen Mix von folgenden drei Maßnahmen zu senken: CO2-Steuern, Fördermittel für Forschung und Entwicklung (R&D) und Ressourcensteuern. Durch die Einführung dieser drei Maßnahmen kann sogar ein höherer Klimabeitrag mit niedrigeren CO2-Steuersätzen erreicht werden.
Earmarking: Um den Umweltbeitrag von Umweltsteuern zu erhöhen, wird oft argumentiert, dass die Steuereinnahmen für die Finanzierung von Klimaprojekte benutzt werden sollte. Obwohl diese Zweckbestimmung der Steuern (engl. Earmarking) eigentlich eine gute Initiative sind, zeigen bestehende Beispiele, dass dieses „Earmarking“ nicht unbedingt eine effiziente Entscheidung aus Budget- und Planungssicht sind. Oft führt „Earmarking“ zu einer weniger effizienten Verwendung des Steueraufkommens.
In der Praxis entscheidet jede Regierung selbst und unter Berücksichtigung der Prioritäten der politischen Agenda, wofür sie die Steuereinnahmen von Umweltsteuern benutzt bzw. wie sie ihr Steuersystem umgestaltet. In Alberta (Kanada) zum Bespiel wird ein Großteil der Einnahmen für die Finanzierung von Anpassungs-und Minderungstechnologien benutzt. Der andere Teil wird in einen Fonds eingezahlt, der die ärmsten 60 Prozent der Bevölkerung dabei unterstützt, die höheren Transport- und Heizkosten zu zahlen. In Deutschland, Dänemark, Finnland und Schweden haben die Einnahmen der Umweltsteuern zur Senkung der Einkommenssteuern und Sozialversicherungsbeiträge geführt.
Politikinteraktionen
Länder können aus einer breiten Palette von ökonomischen Instrumenten zur Reduzierung der THG-Emissionen wählen. Diese Instrumente sollten auf eine integrierte Weise geplant werden. Immer mehr Länder begegnen dem Klimawandel zum Beispiel mit einer CO2-Steuer und/oder einem Emissionshandelssystem (ETS). Die zwei Instrumente haben zwar das gleiche Ziel im Hinblick auf die Bepreisung von CO2, erreichen dies aber auf unterschiedliche Weise. Ein ETS legt eine Obergrenze von THG-Emissionen fest, der CO2-Preis ist aber volatil und flexibel. Eine CO2-Steuer hingegen setzt einen CO2-Mindestpreis fest, die Emissionsminderung ist jedoch ungewiss. Mexiko erhebt bereits eine CO2-Steuer und plant ein ETS nach internationalem Beispiel einzuführen. Das ETS soll die bestehenden Klimaanstrengungen ergänzen und verstärken, nicht jedoch doppeln. In dem Workshop wurde diskutiert, wie die Ausgestaltung eines ETS die bestehende Steuer ergänzen könnte. Die CO2-Steuer könnte zum Beispiel dazu dienen, die betroffenen Akteure auf ein ETS vorzubereiten, damit zukünftig die CO2-Steuer durch ein ETS mit flexiblen CO2-Preisen ersetzt werden kann. Zudem wurde auch erklärt, dass eine CO2-Steuer auch den Verkehrssektor betrifft. Ein ETS umfasst aber zum größten Teil die Sektoren, in denen viele Emissionen von wenigen Akteuren (wie z.B. Industrie und Strom) ausgestoßen werden.
Energiesubventionen
Die mexikanische Regierung hat in den letzten Jahren ihre Energiesubventionen deutlich gesenkt. Entsprach der Anteil der Subventionen 2012 noch 6.1% des BIP, ist er bis 2015 auf 2.3% gesunken. Auch andere Länder haben sich für eine schrittweise Beseitigung dieser Subventionen entschieden. Dies ist ein wichtiger Schritt, der jedoch durch die Einführung von Umweltsteuern begleitet werden sollte. Nur so werden Externalitäten umfassend internalisiert und ein signifikanter Klimabeitrag geleistet.
Mexiko hat sich ambitionierte Emissionsminderungs- und Anpassungsziele gesetzt und verfügt über ein breites Spektrum an Instrumenten für das Erreichen dieser Ziele. Diese Anstrengungen wurde von den internationalen Experten anerkannt und positiv bewertet. Sie waren sich einig: Das bereits existierende institutionelle und rechtliche Rahmenwerk sollte angepasst werden, um die Wirkungen der CO2-Steuer zu verbessern. Hierfür wäre es wichtig, den Steuersatz zu erheben und u.a. auch Erdgas zu besteuern. Auch wenn die mexikanische Regierung erst Anfang der Jahres versprochen hat, keine Steuern zu erhöhen, sollte die derzeitige Situation des niedrigen Ölpreises und des Staatsdefizits als Argument verwendet werden, um die CO2-Steuer möglichst schnell zu reformieren.
Agenda und kurz-CVs der Referenten:
Präsentationen: